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Inhalte „Analysis 1“
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- Was ist Analysis?
Im folgenden Artikel werden wir untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die Umkehrfunktion einer bijektiven Funktion in einem Punkt differenzierbar ist. Außerdem werden wir eine Formel herleiten, mit der wir die Ableitung der Umkehrfunktion explizit bestimmen können. Das praktische an dieser ist, dass wir damit die Ableitung an bestimmten Punkten bestimmen können, selbst wenn wir die Umkehrfunktion nicht explizit kennen.
Motivation[Bearbeiten]
Betrachten wir zunächst als Beispiel eine lineare Funktion. Für diese ist es sehr einfach, die Ableitung der Umkehrfunktion zu bestimmen. Nicht-konstante lineare Funktionen sind nämlich auf ganz bijektiv und damit umkehrbar. In diesem Fall können wir die Umkehrfunktion explizit berechnen und danach ableiten. Konkret wählen wir
mit
. Die Umkehrfunktion lautet
ist auf ganz
differenzierbar und
für alle
.
Betrachten wir als nächstes die Funktion . Hier müssen wir zunächst aufpassen, da sie nicht auf ganz
injektiv, und damit nicht umkehrbar ist. Schränken wir den Definitions- und Wertebereich jedoch auf
ein, so ist
bijektiv. Die Umkehrfunktion ist die Quadratwurzelfunktion
Bei der Differenzierbarkeit müssen wir eine weitere Sache beachten: ist in
nicht differenzierbar. Dies können wir mit Hilfe des Differentialquotienten, oder auch durch die folgende Überlegung zeigen:
Da die Wurzelfunktion die Umkehrfunktion der Quadratfunktion
ist, gilt
. In null gilt damit insbesondere
Wäre nun in null differenzierbar, würde mit der Kettenregel
gelten. Also kann in null nicht differenzierbar sein. Auf
ist
hingegen differenzierbar, und es gilt
Dieses Beispiel zeigt also, dass es vorkommen kann, dass nicht auf dem gesamten Definitionsbereich differenzierbar ist, obwohl
überall differenzierbar war. Konkret liegt das daran, dass
ist, wie wir später sehen werden.
In den beiden Beispielen war es also relativ einfach die Ableitung der Umkehrfunktion zu bestimmen. Wie sieht es aber mit komplizierteren Funktionen, zum Beispiel als Umkehrfunktion von
aus? Hier können wir nicht so einfach die Ableitung der Umkehrfunktion berechnen. Oder was passiert, wenn sich eine bijektive Funktion gar nicht explizit umkehren lässt? Gibt es dann dennoch eine Möglichkeit die Ableitung der Umkehrfunktion zu bestimmen? In diesen Fällen wäre es natürlich gut, wenn wir eine allgemeine Formel hätten, mit der wir die Ableitung von
aus der Ableitung von
bestimmen könnten. Wenn wir uns die Ableitung aus dem zweiten Beispiel nochmal ansehen, dann fällt Folgendes auf:
Da für alle
und
für alle
ist. Sehen wir uns das erste Beispiel nochmal an, so gilt dort ebenfalls
Die Frage ist nun, ob dies Zufall ist, oder ob diese Formel unter gewissen Voraussetzungen auch allgemein gilt? Setzen wir voraus, dass in
und
in
differenzierbar ist, dann können wir uns die Formel allgemein herleiten. Dazu verwenden wir denselben Ansatz, den wir oben für die Nicht-Differenzierbarkeit der Quadratwurzelfunktion in null verwendet haben: Für alle
gilt
Leiten wir nun auf beiden Seiten an der Stelle ab, so gilt nach der Kettenregel
Hierbei haben wir verwendet, dass in
und
in
differenzierbar sind. Nun dividieren wir noch auf beiden Seiten durch
(geht natürlich nur, wenn der Ausdruck ungleich null ist), und erhalten
beziehungsweise
Die Formel gilt also unter diesen Voraussetzungen auch allgemein. Die Frage ist nun noch, unter welchen Bedingungen an die Ableitung von
sicher existiert.
- Zum einen muss die
existieren. Dies ist genau dann der Fall, wenn
bijektiv ist, was wiederum genau dann der Fall ist, wenn
surjektiv und streng monoton ist.
- Wie wir oben gesehen haben muss
im Punkt
differenzierbar sein mit
.
- Wir werden sehen, dass wir noch eine weitere Voraussetzung benötigen, nämlich dass
in
stetig ist. Ist der Definitionsbereich
von
ein Intervall, so ist dies nach dem Satz über die Stetigkeit der Umkehrfunktion immer erfüllt.
Unter genau diesen Voraussetzungen werden wir einen Satz formulieren und beweisen. Anschließend untersuchen wir noch ein paar Beispiele.
Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion [Bearbeiten]
Satz und Beweis[Bearbeiten]
Satz(Ableitung der Umkehrfunktion)
Seien und
ein Intervall. Weiter sei
eine surjektive, streng monotone Funktion, die in
differenzierbar ist mit
. Dann hat
eine Umkehrfunktion
, die in
differenzierbar ist, und es gilt:
Anmerkungen:
- Die Surjektivität von
ist gleichwertig mit
.
- Ist
auf ganz
differenzierbar, so lässt sich nach dem Monotoniekriterium die strenge Monotonie am einfachsten duch
beziehungsweise
überprüfen.
- Wie wir an der Ableitung der Quadratwurzelfunktion
in
oben gesehen haben, darf die Voraussetzung
auf keinen Fall weggelassen werden.
- Der Satz gilt auch noch etwas allgemeiner, falls
kein Intervall ist. Dann muss aber zusätzlich gefordert werden, dass
in
stetig ist. Außerdem müssen
beziehungsweise
Häufungspunkte von
beziehungsweise
sein.
- Ist
zusätzlich noch stetig, so folgt, nach dem Satz von der Stetigkeit der Umkehrfunktion, dass
ein Intervall ist.
Zusammenfassung des Beweises(Ableitung der Umkehrfunktion)
Zunächst begründen wir, dass existiert. Anschließend folgern wir mit Hilfe des Satzes über die Stetigkeit der Umkehrfunktion, dass
stetig ist. Danach zeigen wir, dass der Differentialquotient
existiert, und den Wert
hat. Das heißt, dass für jede Folge
mit
gilt
.
Beweis(Ableitung der Umkehrfunktion)
ist surjektiv und streng monoton, also bijektiv. Also existiert die Umkehrfunktion
. Da wir angenommen haben, dass
ein Intervall ist folgt, nach dem Satz über die Stetigkeit der Umkehrfunktion, dass
stetig auf
ist. Es gilt damit
mit
. Sei nun
eine Folge in
mit
, dann gilt
Also ist in
differenzierbar und es gilt
.
Alternativer Beweis(Ableitung der Umkehrfunktion)
Eine weitere Beweismöglichkeit benutzt eine äquivalente Charakterisierung der Ableitung: ist in
genau dann differenzierbar, wenn es eine in
stetige Funktion
gibt mit
Ist dies der Fall, so gilt . Da weiter nach Voraussetzung
und
streng monoton ist, folgt
für alle
. Setzen wir nun
und
, so lautet die obige Gleichung
Dies ist nun äquivalent zu
Da und
in
stetig sind, ist auch
stetig in
. Benutzen wir nun nochmal die äquivalente Cahrakterisierung der Stetigkeit, so folgt aus der letzten Gleichung, dass
differenzierbar ist in
mit
Merkregel und graphische Veranschaulichung zur Formel[Bearbeiten]
Mit Hilfe der Leibnizschen Notation für die Ableitung lässt sich die Formel der Ableitung der Umkehrfunktion durch einen einfachen Bruchrechentrick veranschaulichen: Für und
gilt
Auch graphisch können wir die Formel klar machen: Ist die Funktion im Punkt
differenzierbar, so entspricht
der Steigung der Tangente an dem Graphen in
. Es gilt daher
Den Graphen der Umkehrfunktion erthalten wir nun in zwei Schritten:
- Zunächst müssen wir den Graphen von
um
(im bzw. gegen den Uhrzeigersinn) drehen. Der daraus entstandene Graph hat im Punkt
die Steigung
, da die Tangente in diesem Punkt senkrecht auf der ursprünglichen Tangente steht.
- Anschließend müssen wir den Graphen noch (horizontal bzw. vertikal) spiegeln. Dabei dreht sich das Vorzeichen der Tangentensteigung um.
Insgesamt erhalten wir
Umkehrung des Satzes und Erweiterung auf gesamten Definitionsbereich[Bearbeiten]
Es gilt auch die folgende Umkehrung des Satzes:
Satz(Umkehrung des Satzes von der Ableitung der Umkehrfunktion)
Seien und
ein Intervall. Weiter sei
eine surjektive, streng monotone Funktion, die in
differenzierbar ist. Ist weiter die Umkehrfunktion
in
differenzierbar, dann gilt:
und
Beweis(Umkehrung des Satzes von der Ableitung der Umkehrfunktion)
Der Beweis funktioniert mit dem Trick aus der Einleitung. Es gilt für alle die Gleichung
Unter den Voraussetzungen ist die linke Seite mit der Kettenregel in differenzierbar mit
Wegen der Nullteilerfreiheit von muss daher
sein, und es folgt
Fordern wir nun zusätzlich im ursprünglichen Satz, dass auf ganz
differenzierbar ist mit
. Dann können wir die Ableitungsfunktion von
auf ganz
bestimmen:
Satz(Ableitungsfunktion der Umkehrfunktion)
Seien und
ein Intervall. Weiter sei
eine surjektive differenzierbare, streng monotone Funktion, und es gelte
für alle
. Dann hat
eine differenzierbare Umkehrfunktion, und es gilt:
Beispiele[Bearbeiten]
Beispiel(lineare Funktionen)
Sei ,
und
eine lineare Funktion. Dann ist surjektiv und streng monoton steigend, falls
, sowie streng monoton fallend, falls
. Außerdem ist
auf ganz
differenzierbar mit der Ableitung
. Nach dem Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion gilt somit für alle
Dies hätten wir auch, wie oben, direkt nachrechnen können.
Beispiel(Wurzelfunktionen)
Sei für
Dann ist differenzierbar und hat die Ableitung
. Ist also monoton steigend. Außerdem ist
surjektiv. Die Umkehrfunktion ist die
-te Wurzelfunktion
Für jedes folgt dann Mithilfe des Satzes über die Ableitung der Umkehrfunktion
.
Ist ungerade, so gilt die Formel für alle
.
Beispiel(Logarithmusfunktion)
Betrachten wir noch die Exponentialfunktion
Dann ist . Also ist die Funktion differenzierbar, und wegen
streng monoton steigend. Außerdem ist
surjektiv. Die Umkehrfunktion ist die (natürliche) Logarithmusfunktion
Aus unserem Satz folgt nun für jedes :
Übungsaufgaben[Bearbeiten]
Aufgabe(Ableitung der Umkehrfunktion)
Zeigen Sie, dass die Funktion
eine differenzierbare Umkehrfunktion besitzt. Bestimmen Sie den Definitionsbereich von
und berechnen Sie
.
Lösung(Ableitung der Umkehrfunktion)
Wir müssen sauber nacheinander alle Voraussetzungen des Satzes über die Ableitung der Umkehrfunktion überprüfen.
Beweisschritt: ist surjektiv
ist stetig auf
als Komposition stetiger Funktionen. Außerdem gilt
Nach dem Zwischenwertsatz gibt es daher zu jedem ein
mit
. Damit ist
surjektiv.
Beweisschritt: ist streng monoton
ist auf
differenzierbar als Komposition differenzierbarer Funktionen, und
für alle . Nach dem Monotoniekriterium ist
damit streng monoton fallend, und daher injektiv auf
.
Also ist bijektiv, und hat somit eine Umkehrabbildung
. Der Definitionsbereich
entspricht dem Wertebereich von
.
Beweisschritt: ist differenzierbar auf
und
für alle
Die Differenzierbarkeit wurde in Schritt 2 schon begründet. Wegen gilt auch
für alle
.
Nach dem Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion ist diese auf ganz differenzierbar.
Beweisschritt: Berechnung von
Es gilt . Daher ist
, und mit der Formel für die Ableitung der Umkehrfunktion ist
Aufgabe(Zweite Ableitung der Umkehrfunktion)
Sei mit
, und
eine zweimal differenzierbare bijektive Funktion mit
. Begründe, dass die Umkehrfunktion
zweimal differenzierbar ist und drücken Sie die zweite Ableitung von
an der Stelle
durch Ableitungen von
an geeigneter Stelle aus.
Als Anwendung: Berechne für das Polynom die Ableitungen
und
.
Lösung(Zweite Ableitung der Umkehrfunktion)
Beweisschritt: Existenz und Bestimmung der ersten Ableitung von
ist ein Intervall und
ist bijektiv. Wegen
gibt es ein
mit
. Da
ist
. Nach dem Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion ist
in
differenzierbar mit
Beweisschritt: Existenz und Bestimmung der zweiten Ableitung von
ist zweimal differenzierbar. Dies bedeutet, dass
differenzierbar ist. Nach der Quotienten- und Kettenregel ist damit
in
ebenfalls differenzierbar und es gilt
Beweisschritt: Berechnung der Ableitungen und
ist auf
differenzierbar mit
. Also ist
streng monoton steigend und damit injektiv. Wegen
ist nach dem Zwischenwertsatz
auch surjektiv. Also insgesamt bijektiv. Mit
folgt nun aus dem Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion
Weiter ist zweimal differenzierbar mit
. Mit der in Schritt 2 bewiesenen Formel gilt daher
Beispiele für Ableitungen →
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